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Leserbrief

Donnerstag, 11. November 2021

Schreiben Sie was Sie schon immer sagen wollten – dieser Platz ist reserviert für Ihre ganz persönliche Meinung!
Leserbriefe die an dieser Stelle veröffentlicht werden, geben nicht die Meinung des Herausgebers bzw. der Redaktion, sondern die des Verfassers wieder.

Wem glaube ich?

Ich hatte das große Glück den mittlerweile verstorbenen pakistanischen Bischof Andrew Francis kennenlernen zu dürfen. Er lebte mitten unter den Taliban und sein Herzensanliegen war es, Schulen zu bauen, in denen Kinder aller Religionen gemeinsam unterrichtet werden, um einerseits Bildung und damit eine bessere Lebensperspektive zu erhalten, vor allem aber um Freundschaften zwischen den Kindern aufzubauen. Er sagte sinngemäß: Es ist wichtig, dass die muslimischen und christlichen Kinder Freunde werden und die Talibankinder so den Lügen über die Christen nicht mehr glauben. Nur so werden die Anschläge und das Morden ein Ende haben, denn einen Freund werden sie nicht in die Luft sprengen wollen.
An dieses Wort denke ich oft in diesen Tagen. Längst geht es in Sachen Corona nicht mehr um den Austausch von Sachargumenten, sondern um die Frage: Wem glaube ich? Und nur das Bild eines Glaubenskrieges hilft manchmal die verhärteten Fronten zu beschreiben. Machen wir uns also diesen Gedanken von Bischof Andrew zu eigen: Auch wir dürfen den Lügen über unsere geimpften oder ungeimpften Freunde nicht glauben. Sie sind nicht dumm, verblendet, egoistisch. Lassen wir uns nicht einreden, dass man die Gesellschaft so einfach in Mitläufer und Verschwörungstheoretiker einteilen kann. Eltern gegen Kinder, Brüder gegen Schwestern, Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer, Freunde gegen Freunde! Machen wir der Spaltung ein Ende! Damit das „Teile und herrsche“, das unsere Regierenden praktizieren, nicht funktioniert. Erteilen wir der Sündenbockstrategie der Herrschenden eine Absage!
Ich bin dankbar für alle, die ihre erste Enttäuschung über jene, die eine andere Entscheidung als sie selbst getroffen haben, überwinden konnten und versuchen den anderen zu verstehen. Verständnis ist die beste Medizin gegen das Gift der Spaltung. Ich bin dankbar für jene, die Empathie empfinden für die Sorgen und Ängste der anderen, auch wenn sie sie nicht teilen. Eine „Selber-Schuld“ Mentalität macht uns kalt und hart. Ich bin dankbar für jene, die Menschen grundsätzlich nicht nach ihrem Impfstatus beurteilen. Gegenseitige Be- und Verurteilungen werden dem anderen nie gerecht. Ich bin dankbar für alle, die nicht vergessen haben, dass ein toller Mensch (egal ob Nachbar, Mitarbeiter, Kunde oder Freund aus Kindertagen) ein toller Mensch ist, egal ob geimpft oder ungeimpft. Ich selbst ringe jeden Tag darum. Die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm und ich glaube, wir werden einander noch brauchen.

Bettina Rahm

Zillertaler Zeitung

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