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Leserbrief

Mittwoch, 22. März 2023

Der Tages- & Jahresablauf auf den Bergbauernhöfen im Zillertal
Erinnerungen aus früheren Tagen und der Jugendzeit von Sepp Rauch. 

Täglich zwischen vier und halbfünf war vom Bauern oder der Bäuerin das Wecken angesagt. Der Bauer nahm zur Winterzeit seine Petroleumlaterne, sowie das Milchgeschirr auf den Rücken und ging in den Stall, um das Vieh zu versorgen und zu melken. Die Bäuerin oder eine Magd fütterte zuerst die Hühner und kochte für die Schweine ihren ersten Fraß. Als nächstes weckte die Bäuerin die Kinder. Diese mussten zeitgerecht zur Schulmesse kommen, die war nämlich genauso Pflicht wie die Schule selbst. Um zirka halbsieben kam der Bauer aus dem Stall, das war die Zeit für das tägliche Frühstück. Dieses bestand oft aus einer Milchsuppe mit Schwarzbrotwürfel, nur an Sonntagen gab es Kaffee. Man setzte sich gemeinsam an den großen Küchentisch zum ersten Essen des Tages. Bei dieser Gelegenheit wurde noch einmal über den Arbeitsablauf dieses Tages kurz mit den Bauersleuten gesprochen. Die Mutter hat in der Zeit für die Schüler Butterbrote geschmiert, als Jause in der Schulpause. Zu der Zeit war die Ganztagesschule noch obligatorisch. Donnerstag hatten die Pflichtschüler schulfrei, an diesem Tag war Fortbildungsschule für die Vierzehn- bis Sechzehnjährigen.

Und nun einige Bemerkungen zum Jahresablauf: Die Wintermonate verliefen etwas ruhiger, obwohl es immer Arbeit gab. Kam der Winter zeitgerecht, und die Schneelage passte, wurde das Brennholz, die Streu und die „Taxen“ (Fichtenäste, die hauptsächlich für die Stallstreu verwendet wurden) zu den Häusern und Stallungen mit Hornschlitten transportiert. Brennholz hat es viel gebraucht, denn es gab in jedem Haus nur einen Herd in der Küche und den Stubenofen. Der Küchenherd brauchte das ganze Jahr über Holz, denn es war ja die einzige Kochmöglichkeit und Warmwasserspender. Nun ging es an das Brennholz aufarbeiten. Größtenteils mit einer Zweimannsäge (Kreissägen waren noch eine Seltenheit) geschnitten und zu Scheiten gekloben und auf einen Haufen geworfen, wo es trocknen konnte. Vor Beginn der Feldarbeit wurde dieses Heizmaterial im Holzschuppen gelagert. Die Tage wurden länger und wärmer und es ging ans „Taxenschloaßen“, die Nadelzweige wurden mit einem speziellen Werkzeug von den Ästen entfernt (Gau). Diese Fichtenzweige wurden mit einer „Gsetmaschine“ (Häckselmaschine) zu Streu geschnitten und in den dafür vorgesehenen Raum „Strebkrippe“ gelagert.

Nach dem Winterende ging die Feldarbeit los. Zudem mussten die Winterschäden, die immer wieder an den Feldzäunen und den Gebäuden entstanden, behoben werden. Auf den Wiesen mussten die Maulwurfshügel mit einem Rechen verteilt werden, bei der Mahd wären die sehr hinderlich gewesen. Steine, die der Winterfrost ans Tageslicht gebracht hat, wurden eingesammelt und entsorgt. Mein Bauer besaß das einzige Pferd in der näheren Umgebung. Ich liebte in meiner Kindheit schon Pferde, war während der Schulzeit daher sehr viel im Rossstall und leistete kleine Hilfsdienste. So war es für den Bauern selbstverständlich, dass ich Rossknecht wurde. Einen großen Teil des Jahres war ich mit dem Pferd mit Lohnarbeit beschäftigt – im Winter Nutzholz zu den verschiedenen Sägewerken führen und im Frühjahr fünf bis sechs Wochen bei einem großen Teil der Finkenberger Bauern die Äcker zu pflügen. Jeder Bauer hat zu der Zeit neben Kartoffeln auch Getreide angebaut. Diese Arbeit als Rossknecht war für mich eine lehrreiche, interessante und kurzweilige Tätigkeit. „Die Arbeitstage waren lang, vierzehn bis sechszehn Stunden waren fast normal“.

Im Mai war dann die Zeit für die Brennholzschlägerung. Zu der Zeit kann man die Rinde von den Baumstämmen am leichtesten entfernen. Die Stämme bleiben in ganzer Länge liegen, werden nach der ersten Heumahd noch sauber gemacht, in die passende Länge geschnitten und anschließend musste auf den ersten Schnee gewartet werden. Das war die Zeit, um das Holz an den nächsten Fahrweg zu holzen.

Mittlerweile begann die Frühsommerzeit und somit die Heumahd. Die Wiesen wurden zur damaligen Zeit zweimal, maximal dreimal gemähd, das Ackerfeld, das nicht angebaut wurde, dreimal. Die übrigen Wiesen wurden, wenn das Vieh Ende September Anfang Oktober von der Alm kam (solange es die die Witterung erlaubte), beweidet. Nach der ersten und teilweise während der zweiten Heumahd begann auch die Zeit des Kornschnittes. Als erstes wird die Gerste reif, etwas später Roggen und Weizen. Das Korn wurde auf Schobern getrocknet und dann auf die „Dreschtenne“ gebracht. Die Dreschzeit vom Korn war irgendwie ein Ereignis, für diese Arbeit brauchte es zusätzlich Hilfskräfte aus der Nachbarschaft. Die Bäuerin hat festlich aufgekocht wie an Festtagen. War diese Arbeit getan, war es Zeit zu feiern, was von den Helfern natürlich gerne angenommen wurde. Anfang bis Mitte September wurde mit der Kartoffelernte begonnen, die Heumahd war beendet. Die Wiesen wurden um Allerheiligen herum abgeweidet und man begann mit der Felddüngung. Eine mühevolle und schwere Arbeit, denn der Mist wurde in Körben auf den Rücken an seinen Bestimmungsort getragen, diese Arbeit hat sich über zwei bis drei Wochen gezogen.

Die Feldarbeit war für dieses Jahr beendet und so wartete man auf den ersten Schnee. Nicht um Wintersport zu betreiben, sondern um das Brennholz und Streu heimzubringen. Bis Sankt Kathrein, am 25. November, musste das Korn gedroschen sein. Die alte Bauernregel wurde streng eingehalten, „Sankt Kathrein stellt Musik und Tanz ein“, und das galt bis zum Stefanitag. Man freute sich nun auf Weihnachten und das Christkind. Die „Geburt Christi“ hatte noch den größeren Stellenwert, die Kinder freuten sich auf die Weihnachtsgeschenke, die das „Christkindl“ bringen wird.

Eine Arbeitswoche bei den Bauern dauerte sieben Tage, die Stunden hat niemand gezählt, von Urlaub war keine Rede und die Bezahlung nicht gerade rosig. In der Zeit nach dem Krieg wo ich alles erlebt habe blühte der Schwarzhandel. Wenn eine Bäuerin ein Kilo Butter oder Speck, oder wer Obstbäume besaß, einen Liter Schnaps zum Verkaufen hatte, diese drei Produkte brachten einen Erlös von jeweils hundert Schilling. Zum Vergleich: eine Magd verdiente achtzig und ein Knecht ca. hundert Schilling im Monat.

Aber niemand murrte alle waren zufrieden, wenn man gesund war, arbeiten konnte und Sonntag Nachmittag ein paar Stunden frei hatte, um sich mit Freunden zu treffen, was sich heute wohl kaum mehr jemand vorstellen kann.

Zillertaler Zeitung

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