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Klettergenie, Bergführer & Erfinder des Felshakens 

Zum 100. Todestag des legendären Hans Fiechtl, vulgo „Schwarzenstein-Hansl“ aus Schwendau – Teil 2

Donnerstag, 7. August 2025
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Wie bereits in Teil 1 dieses Berichts in der Zillertaler Zeitung der vergangenen Woche zu lesen, entdeckte Hans Fiechtl seine Leidenschaft für die Berge als Hüterbub auf der Schwarzenstein Alm. Die Kletterei hat es ihm dabei besonders angetan und so entwickelte er bereits in jungen Jahren seine eigene Klettertechnik, die später als katzenhaft und äußerst sicher beschrieben wurde. 

Äußerlich war sein heranwachsendes Talent nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Seine gedrungene Statur gab wenig Rückschluss auf seine athletischen Fähigkeiten. Sein rotbrauner Haarschopf, der blaue, verschossene Leinenjanker, später kam die speckige Kaiserjägermütze schief überm Ohr dazu, und die geliebte Pfeife waren sein Erkennungsmerkmal. Fiechtl verfeinerte vor allem am Feldkopf (3.085 m – Zsigmondyspitze) seine Felstechnik und baute sie bis zum – für die damalige Zeit unvorstellbaren – sechsten Schwierigkeitsgrad aus.

Mit dem Träger und seinem Seilpartner Johann „Hans“ Hotter „Schualhaus Honis“ aus Ginzling gelangen ihm an diesem Berg mehrere Erstbegehungen und im Jahr 1910 der große Wurf, die NO-Wand. Fiechtl war der Führende und erzählte: “Wir waren in der senkrechten, völlig glatten Wand aus Glimmerschiefer in einer ausweglosen Situation. Hotter bangte um sein Leben, aber ich habe doch wieder weitergefunden. Es dürfte wohl die schwerste Tour der Alpen sein, denn es muss jeder Schritt mit äußerster Anstrengung bezwungen werden.“ Diese Klettertour fand erst unglaubliche 19 Jahre später durch Peter Aschenbrenner einen Wiederholer. 1911 folgte die Erstbesteigung der Südwestkante V- A0 des Feldkopfs mit dem Bergführer und weiteren Seilpartner Michael Kröll „Kumbichl – Muche“ (07. Juli 1911).

Hans Fiechtl‘s Meisterstück gelang 1913 mit Seilpartner Otto „Rambo“ Herzog, der folgende Geschichte von der Erstbegehung der Schüsselkarspitz-Südwand preisgab: „Fiechtl geht voraus. Sein Antlitz ist finster und trotzig. Plötzlich fliegt er lautlos aus der Wand und pendelte am Seil in die Falllinie hinüber. Seil, Karabiner und Mauerhaken halten. Frech und ohne Erholungspause geht Fiechtl die Stelle nochmals an. Mit gleichem Resultat: Sturz! Kurze Zeit später wieder an der Pendelstelle ein dritter Versuch, er endet ebenso. Der ehrgeizige Fiechtl wünscht weiterhin den Vortritt. Einen Haken zwischen den Zähnen trat er die Luftreise an und nach einigen Versuchen glückte es ihm, sich links drüben zu verkrallen und bei einem Blümchen einen Haken einzutreiben. Die schwierige Kletterei und das von Fiechtl meisterhaft gelöste Akrobatenstück haben viel Zeit gekostet und mussten mit einem Biwak bezahlt werden.“ Fiechtl erwarb sich durch diese Begehung einen gewissen Eindruck der Unverwüstlichkeit. 

Als Siebzehnjähriger wurde Hans Fiechtl behördlich legitimierter Träger bei der Sektion Berlin und bereits ein Jahr (1902) später schloss Hans die Bergführerausbildung des D.u.Oe. Alpenvereins mit sehr gutem Erfolg ab. Sein Hauptstützpunkt als Bergführer war am Beginn seiner Tätigkeit die Berliner Hütte. Im Jahr 1923 wechselte er ins Kaisergebirge und hatte fortan seinen Stützpunkt am Stripsenjochhaus. Das Totenkirchl im Wilden Kaiser war nun das Revier des Hans Fiechtl. „Das Kirchl“ war gleichsam sein Eigentum. Er hatte als gerade mal Vierzigjähriger alle 53 Anstiegsrouten mehrmals begangen, viele davon selbst entdeckt und erstbegangen. 

Fiechtl als junger Kaiserjäger – Foto: Ortsvorstehung Ginzling

DER MITBEGRÜNDER DES MODERNEN BERGSPORTS

Der Stil und der erreichte Schwierigkeitsgrat seiner Erstbegehungen hatten Hans Fiechtl in der damaligen Kletterszene Bekanntheit und Anerkennung eingebracht. Hans verstand dabei den schmalen Grat zwischen Mut und Wagemut zu gehen und Übermut bleiben zu lassen. Fiechtl, als Erfinder der ersten brauchbaren Sicherheitsverbindung zwischen Kletterer und Felsen, diskutierte bei geeigneten Zusammentreffen ausgiebig mit der damaligen Elite des Klettersports diese Idee. In Verbindung mit Otto „Rambo“ Herzogs Einfall, zusätzlich Feuerwehrkarabiner als Kletterkarabiner einzuführen, galt als wegweisend. Das moderne Klettern mit gesteigerten Schwierigkeitsgraden und brauchbarer Absicherung, die auch kleinere Stürze zu und überleben ließ, war geboren – Fiechtl und Herzog als Vordenker, Umsetzer und Mitbegründer dieser Idee anerkannt. 

Die Zeit war gekommen: Das unterstützende Sichern mit Seil von Kameraden und Gästen, in der Regel über den Körper oder mit Reibung am Felsen, konnte schweren Stürzen nichts entgegenhalten. In der überwiegenden Zahl waren der Seil-Riss und der daraus resultierende, tödliche Absturz die tragische Konsequenz. Der Abstieg wurde in der Regel „abgeklettert“. Fiechtl‘s Haken mit geschlossener Öse war die Lösung. Die größte Frage aber war: Lässt sich auf diesem selbstgefertigten Haken vor allem aber auf den Erfinder Fiechtl so große Verantwortung übertragen? Schließlich übergab man einem Stück Stahl bedenkenlos das Leben des zu sichernden Seilpartners, das eigene Leben, das Leben von Fremden und das Leben und Gelingen von alpinen Rettungseinsätzen.

Hans Fiechtls handwerkliches Geschick und die Schmiedekunst eines Schmieds in Münster ließen diese Vorstellung im alpinen Raum 1910 erstmals Wirklichkeit werden. Hans Fiechtl gelang mit der Erfindung seines Felshakens der erste und größte Schritt zum sichereren Bergsport und zu Bergrettungseinsätzen weltweit. Die Möglichkeit, sich an klettertechnischen Problemen am Felsen heranzuwagen, die vorher nicht in den kühnsten Köpfen der Bergsteigergilde für möglich gehalten wurden, war mit Hilfe des „Fiechtlhakens” nun Wirklichkeit.

Angekommen im 19. Jahrhundert hatte sich der Bergsport etabliert. Bergsteigen ist auf Grund der Verdienste aller alpinen Vereine mit Anfang des vorvorigen Jahrhunderts Volkssport geworden. Von allen anderen Bereichen des Bergsports war das Klettern immer schon mit sehr viel Emotion verbunden, unterschiedliche Philosophien, der Gebrauch und Einsatz von Haken, die Ethik des Kletterns und grundsätzlichen Fragen wie Schwierigkeitsbewertungen von Klettertouren waren die größten Diskussionspunkte. Die damalige Kletterszene teilte sich und war unter „Münchner Schule“ oder „Wiener Schule“ bekannt. 

Hans Fiechtl war das Bindeglied zwischen diesen verschiedenen alpinen Weltanschauungen. Vom Zillertal kommend, bestätigt durch seine alpinen Erfolge und seine Arbeit als Bergführer, verstand er es mit dem österreichischen Ausnahmekletterer Paul Preuß, der als überzeugter Freikletterer galt, genauso Grundsatzdebatten zu führen wie mit dem großen Vertreter der Münchner Schule Hans Dülfer. 

Zusammengefasster Bericht aus dem Buch: „Auf den Spuren der Zillertaler Bergführer, von Pionieren, Gipfeln und Legenden.“  – Stefan Wierer, Zillertaler Bergführer

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