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Nachkommen der Besitzer des Schlosses „Erdmannsdorf“ besuchten Mayrhofen

Eine Reise in die alte Heimat der Vertriebenen & zugleich „185 Jahr-Gedenke n an die Ausweisung der Zillertaler Inklinanten“

Mittwoch, 14. September 2022
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Es mag wohl der Pandemie zuzuschreiben sein, dass Vorbereitungen für ein 185-Jahr-Gedenktreffen nicht realisierbar schienen. Trotzdem kann das Zillertal drei Ereignisse für sich verbuchen. Einmal die diesjährige Aufführung des Theatervereins Zell am Ziller mit dem Titel „Das Gesetz“, eine Tragödie rund um die Zillertaler Andersgläubigen und den Lausbuben Maxl, dessen Folgen auch vor der Ausgrenzung von Kinderseelen nicht Halt macht. Autorin und Spielleiterin Hildegard Lehner bezieht sich in diesem Theaterstück auf die Tragödie rund um den evangelischen Glauben im Zillertal. 

Vom 23. bis 28. Mai 2022 besuchte im Rahmen eines „Erasmus-Programmes“ der EU eine polnische Frauengruppe aus Myslakowice, dem ehemaligen Zillerthal-Erdmannsdorf, das hintere Zillertal. Ein ausführlicher Artikel auf der Homepage der Marktgemeinde Mayrhofen von den Experten der historischen Ereignisse im Zillertal „Horst und Helga Bast“ über den genannten Besuch in Mayrhofen und den Nachbargemeinden ist abrufbar.
Im heurigen Gedenkjahr gibt es aber noch über weitere bedeutende Besuche zu berichten. Herr und Frau Eynar und Renate Dorothea Ambrock aus Dortmund weilten mit Herrn und Frau Horst und Helga Bast im „hinteren Zillertal“ und besuchten natürlich auch Mayrhofen. Der Besuch ist deshalb so interessant, da Frau Renate Ambrock zu den Nachkommen der ehemaligen Besitzer (bis 1943) des Schlosses Erdmannsdorf zählt. Den Besucherreigen rundete schließlich Herr Gustavo Kausel-Kröll, ein chilenischer Nachfahre der Zillertaler Auswanderer, ab. Aber davon später.

Über die gesamte Entwicklung und vor allem wechselvolle Geschichte des Schlosses Erdmannsdorf an dieser Stelle zu berichten, ist nicht zielführend (siehe Internet!). Aus den Recherchen von Horst u. Helga Bast kann man entnehmen, dass nach Umbauten das Schloss Sommersitz der königlichen bzw. kaiserlichen Familie bis 1909 blieb. Verschiedene prominente Herrschaften, Verwandte sowie Bekannte der kaiserlichen Familie trafen sich hier oder verweilten für einige Zeit. Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) nutzte die Sommerresidenz kaum noch. 

Auf meine Frage, „ob es denn Kontaktnahme mit den zur Aussiedlung gezwungenen Zillertalern mit den herrschaftlichen Bewohnern des Schlosses Erdmannsdorf zur Zeit der Einwanderung  in Schlesien (Riesengebirge) und Etablierung und danach gab?“, berichteten Frau Renate Ambrock als auch Horst Bast, dass bei besonderen Anlässen sowie Besuchen die zugewanderte Zillertaler Bevölkerung einschließlich der Kinder regelmäßig in das Schloss zu Aufführungen, Gedichtvorträgen und musikalischen Beiträgen geladen waren und die Zillertaler selbstverständlich eine eigene traditionelle, vor allem selbstbewusste Haltung entwickelten und diese bei verschiedenen Anlässen auch politisch zum Ausdruck brachten.

Weitere Schritte folgten in der Auflösung sicherer Vereinbarungen des Schlosses und in mehrmaligem Verkauf. 1919 wurde Fabriksbesitzer Karl Rudolf und später sein Sohn Kurt aus Sachsen Besitzer des nunmehr „Rittergutes Erdmannsdorf“. 1921 übernahm Karl Rudolph die Bewirtschaftung des Gutes in eigene Hände und entwickelte einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb. Er intensivierte in dem großen Gut die Arbeit und brachte Verbesserungen in den täglichen Betriebsablauf ein. Allerdings galt es auch, umfangreiche bauliche Mängel zu beheben. Nach dem Tode von Karl Rudolph übernahm Sohn Kurt Rudolph, Vater von Frau Renate Ambrock, die wir in Mayrhofen mit ihrem Gatten begrüßen durften, die Bewirtschaftung des Gutes und erwarb 1938 das “Rittergut Erdmannsdorf“. Von Frau Renate Ambrock wie auch von Horst Bast konnten wir erfahren, wie Vater Kurt Rudolph aus dem Gut einen modernen, zeitgemäßen und biologischen Musterbetrieb mit aktueller Tierhaltung, Teichwirtschaft, Herdbuch-Rinder, Pasteurisierung der Milch u.v.m. entwickelte. Von der schlesischen Landwirtschaftskammer wurden Delegationen auf das „Rittergut“ zur Besichtigung gebracht. Bereits 1943 aber hat Kurt Rudolph in weiser Voraussicht seinen Besitz an die Regierung veräußert, wurde nach Kriegsende aber noch von der russischen Besatzungsmacht gebeten, den Betrieb weiterzuführen (bis 1947). Die Familie konnte noch bis 1945 im Schloss verbleiben. Vater Kurt Rudolph verweigerte die Option und wurde mit der Familie (5 Kinder)  zur Flucht gezwungen, die auch nicht anders verlief, wie bei den zahllosen Flüchtlingen, die ihr Hab und Gut verlustig wurden. Die Flucht endete in Leipzig, denn hier lebten Brüder von Kurt Rudolph, die vorerst Hilfe anbieten konnten. Die Kinder wurden aufgeteilt, und, so Frau Renate, es war nicht einfach. Die nachfolgenden Jahrzehnte kamen ihnen auch mit den deutschen politischen Veränderungen entgegen und ihre Gesundheit und die positive wirtschaftliche Entwicklung ermöglichte ein gesichertes Leben, vor allem konnte ein Neustart 1948 nach der Währungsreform einiges in die Wege leiten. Frau Renate Ambrock ist 1938 geboren und gemeinsam mit ihrem Gatten gesund und voller Zuversicht. Zum Treffen bzw. Kurzbesuch von Gustavo Kausel-Kröll, der bei Verwandten in Bregenz zu tun hatte, und kurz nach Mayrhofen wechselte, um sich mit der Familie Bast und Herrn Georg Huber zu treffen. Zur Erinnerung: 23 Teilnehmer der „Gemeinschaft der Zillertaler in Chile“ starteten am 5. Juni 2009 ab Santiago eine Reise in die Heimat der Vorfahren. München, Innsbruck, Wattens, Schwaz, Ramsau i. Z. Zell am Ziller, Hippach, Schwendau, Sennerei Zillertal, Mayrhofen, Brandberg, Finkenberg, der Tuxer Ferner, Salzburg, Prag und weiter die Stationen der zur Auswanderung gezwungen ZillertalerInnen waren die wichtigen Stationen bis Zillerthal-Erdmannsdorf  mit den benachbarten Orten und Städten sowie Berlin, Hamburg und dann nach 17 Tagen direkt zurück nach Frutillar/Chile. Einige, wie auch Kurt Klocker, der damalige Präsident der Zillertaler in Chile, sowie seine Gattin, vielleicht erinnern sich manche/r an die Begrüßung der chilenischen Nachfahren der Zillertaler in Ramsau im Jahre 2009, sind bereits verstorben. Gustvo-Kausel-Kröll mit „Wurzeln“ am Gerlosberg, war auch Teilnehmer dieser Reisegemeinschaft. 

Zum Abschluss gilt es Dank zu sagen der Familie Bast sowie  an Herrn und Frau Ambrock und nicht zu vergessen Georg Huber für die Unterstützung, die Organisation des Zusammentreffens,  die informativen Unterlagen und vor allem auch für die freundschaftliche, aufrichtige Begegnung.    

Andreas Gredler, Zillertaler Zeitung

Gustavo Kausel-Kröll vor dem Stammhaus am Gerlosberg – Hausname Thummerer
v.l. Helga Bast, Eynar Ambrock, Georg Huber sowie Frau Renate Dorothea Ambrock und Horst Bast

Zillertaler Zeitung

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