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Die „Schian Tånza“

Mittwoch, 2. Februar 2022
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Im wahrsten Sinne des Wortes, seine Hausaufgaben hat er – genauso, wie er es von den Schülern während seiner aktiven Pädagogenzeit verlangte – gemacht. Die Rede ist von Dr. Max Schneider, der Generationen von Schülern und Eltern noch in bester Erinnerung ist. War er doch zu Beginn seiner Lehramtstätigkeit einige Jahre an der Zeller Hauptschule als Lehrer und nach einigen Intermezzi an anderen Bildungsstätten als Direktor der Volksschule Zell tätig. Dies sollte sein letzter Einsatzort im Bereich des Tiroler Schulwesens sein, denn mit Ende des Schuljahres 2012/2013 wurde Max Schneider in den Ruhestand verabschiedet.

„Wer rastet, der rostet“, wird sich Max Schneider als studierter Ethnologe und Kunstgeschichtler, der darüber hinaus Studiengänge in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie Brauchforschung belegte, gedacht haben. Nach Jahren fotografischer Dokumentationen sowie umfangreichen Erhebungen im gesamten Alpenraum, vielen Gesprächen und Interviews mit Historikern und Zeitzeugen ist unter dem Titel „Perchten und Bräuche zur Mitwinterzeit“ ein hochinteressantes 350-seitiges Werk entstanden, welches über Abläufe und Veränderungen kaum dokumentierter Bräuche berichtet und diese so vor dem Vergessen bewahrt.

Einer dieser Bräuche ist jener der „Schian Tånza“, mit dem die wenigsten von uns aller Wahrscheinlichkeit nach, etwas anzufangen wissen. Dieser Brauch gelangte im Großraum Zell, insbesondere am Gerlosberg, während der Faschingszeit bis herauf in die 1960er Jahre zur Aufführung. Zu Beginn der 1990er Jahre wurden von jungen Burschen und Mitglieder des Zeller Theatervereines Anstrengungen unternommen, den Brauch wieder aufleben zu lassen. Neue Kostüme wurden angefertigt und intensive Proben abgewickelt. Auch infolge des tragischen Todes eines der Federführenden, Benedikt Rahm vom Anwesen „Grube“ am Gerlosberg, haben diese Bemühungen nach einigen Jahren – nachdem noch ein öffentlicher Auftritt beim Tiroler Ball in Wien abgewickelt werden konnte – geendet. In der Zeller Chronik wird die Fotoserie einer solchen Probe verwahrt.
Mit Genehmigung des Autors werden nachstehend – aus Platzgründen –
einige Passagen aus der im Buch enthaltenen Abhandlung über die „Schian Tånza“ wiedergegeben:

„Es ist Faschingszeit. Da ist es Brauch, dass am Gerlosberg, oberhalb von Zell am Ziller, die ‚Schian Tånza‘ verschiedenen Bauernhöfen einen Besuch abstatten. Wichtig war, dass die Stube genug Platz bot. Nicht nur für die Tänzer, sondern auch für die Gäste aus umliegenden Höfen. Von Dreikönig an bis in den Fasching sind sie unterwegs. Burschen, denen es um die Gaudi, nicht um das Erbetteln von Zuwendungen geht; auch wenn sie nach dem Auftritt einer Jause nicht abgeneigt sind.
Hans Pendl war ehemaliger Obmann des Zeller Tourismusverbandes. Ihm zufolge gab es solche Auftritte hauptsächlich am Gerlosberg und davon ausgehend auch am Hainzenberg, Rohrberg, Distelberg, Stummerberg und Horberg. Nachdem die Auftritte um 1960 ‚eingeschlafen‘ waren, initiierte er eine Wiederbelebung und sorgte dafür, dass neue Kostüme angefertigt wurden. Speziell bei der Adjustierung, die an südeuropäische Trachten erinnert, war besonderes Schuhwerk erforderlich. Diese sind mit einer Metallplatte bestückt. Mit einem Fuß stampft der Tänzer am Boden auf und mit dem anderen schlägt er beim Sprung an die Sohle des Stampffußes. Das Trestern, der wesentliche Bestandteil des Brauches, ist ein Stampftanz, der im Dreierrhythmus getanzt wird. Insgesamt sind die Tänze eine Mischung aus Schuhplattln und akrobatischen Komponenten. Alois Höllwarth, vulgo ‚Schneiderhäusl-Lois‘, verglich das Trestern mit dem Balztanz des Auerhahnes, bei dem der Flügelschlag des Hahnes nachempfunden wird, wenn er sich der Henne nähert.
Drei Musikanten in schwarzen Hosen, weißen Hemden und mit Hut auf dem Kopf treten in die Stube. Einer mit Zugin (Ziehharmonika), einer zupft eine Gitarre und einer hält eine Triangel an einer Schnur, wobei er im Takt mit einem Schraubenzieher darauf klopft. Die erste Figur, der Platzmacher, turnt zur Überraschung der Zuseher mit einem Handstandüberschlag in die Stube und beginnt sogleich zu trestern. Zur Begrüßung richtet er ein Gedicht an die Anwesenden. Anschließend beschreibt er, zum Rhythmus der Musik tanzend, mehrmals einen Kreis im Raum. Zur Musik des so genannten ‚Schneidigen‘ tanzt ein Paar, prächtig und farbenfroh gekleidet, in den Raum. Nach deren Darbietung erfolgt ein artistisches Gustostückl, der ‚Überbodentresterer‘.

Die beiden Tanzpartner stehen mit untergehakten Armen Rücken an Rücken. Dann schwingt sich der männliche Partner auf den Rücken seiner ‚Partnerin‘ (die Tänzer sind allesamt Männer), dass er mit den Füßen an der Decke des Raumes tres-tern kann. Eine weitere Figur ist der ‚Überschlag‘. Dabei sind Mann und Frau an einem Arm eingehakt und der Mann überschlägt sich an der Seite der Frauenfigur mehrmals (ähnlich einer Rolle rückwärts mit Unterstützung). Immer wieder tippte er mit den Füßen am Boden auf, um Schwung zu holen.
Wenn nach und nach die drei Tanzpaare dem Publikum ihre Darbietungen vorgeführt hatten, war das ‚Tuxer Paarl‘ dran. Der ‚Tuxerlapp‘ und die ‚Tuxerlappin‘ sind beides schlampig gekleidete Figuren. Sie versuchen, mit tollpatschigen Bewegungen die vorhin gezeigten Tänze nachzuahmen. Danach folgt das ‚Mühlradl‘ dreier Paare (ähnlich dem Müllertanz der Schuhplattler). Nach dem ‚Maschgererboarischen‘ wird das Publikum zum Tanz aufgefordert. Eine Besonderheit ist der so genannte ‚Aushalter‘. Ein kurzer Landler, der von den Musikanten gegen einen kleinen Obolus für ein spezielles Paar gespielt wird. Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass keines der umstehenden Tanzpaare ‚hineintanzen‘ und das Paar in der Mitte stören darf. Wurde diese Regel missachtet, kam es nicht selten zu einer Rauferei, die meist das vorzeitige Ende der Veranstaltung darstellte. Dann ging es weiter zum nächsten Bauernhof.“

Wie angeführt, würde die Wiedergabe der gesamten Abhandlung über die „Schian Tånza“ den Rahmen sprengen. Vielleicht konnte mit diesem Textauszug, das Interesse geweckt werden, sich in Bräuche zur Mittwinterszeit einzulesen und weiter zu vertiefen. Unter Umständen könnte damit auch ein Anreiz geboten werden, dass die Brauchtumsgruppe „VolXtonza Zell/Ziller“ diesen vergessenen Brauch aufgreifen und neu beleben.
Brauchtums- und Geschichtsinteressierte, welche den Erwerb des beschriebenen Werkes in Erwägung ziehen, werden gebeten, sich an den Buchhandel, den Verlag Hannes Hofinger (St. Johann) oder an den Autor zu wenden. Für 39,90 € ist das mit vielen Fotos versehene Buch erhältlich.

Zillertaler Zeitung

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